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Oberleitung - kein must have but nice to Have 

Auch zweigleisige Bahnhöfe können bei der RhB bereits mit Quertragwerken versehen sein. 

Seit mittlerweile über fünf Jahrzehnte beschäftige ich mich mit dem Wunsch, eine Oberleitung für meine Gartenbahn zu realisieren. Doch aus verschiedenen Gründen ist es bisher immer nur beim Wunsch geblieben. Einerseits aus praktischen Überlegungen, andererseits aus dem Mangel an passendem Material. Bereits in den 1970er-Jahren nahm LGB zwar Teile für eine Oberleitung, bestehend aus Gittermasten, Auslegern und Fahrdrähten, in das Sortiment auf, doch diese waren eher für Strassenbahnen oder allenfalls noch für die zweiachsige, blau-weisse Elektrolok nach dem Vorbild der Lokalbahn Mixnitz-Sankt Erhard geeignet. Für das 1975 angekündigte und 1978 ausgelieferte Rhätische Krokodil waren diese Produkte völlig unzureichend.

Für einen RhB-Fan wie mich, der an der Rhätischen Bahn aufgewachsen ist, entsprachen diese Produkte nicht einmal annähernd den Mindestanforderungen an Vorbildtreue. Der Mangel an authentischen Produkten war einer der Gründe, warum das Projekt "Oberleitung" damals nicht realisiert wurde. Ein weiterer, wesentlicher Grund war die Tatsache, dass eine Oberleitung im Garten wohl nicht sehr praktisch sein würde. Die Vorstellung, dass sich der Modellbahner selbst oder Tiere in den im Freien installierten Masten und Drähten verfangen könnten, war mehr als wahrscheinlich. Im Bündner Bergdorf Surava, auf 900 m über Meer und am Strang der weltberühmten Albulabahn gelegen, kam im Winter noch das Problem meterhoher Schneemassen hinzu. Keine idealen Voraussetzungen für eine filigran verlegte Oberleitung im Garten. Damit war die Entscheidung, das Projekt zu sistieren, eigentlich bereits gefallen und die Idee begraben – vorerst. 

Erst viel später wurde die Idee, eine Oberleitung zu installieren, neu belebt, als LGB 1987 ein Oberleitungsprogramm nach dem Vorbild der Rhätischen Bahn vorstellte. "Programm" ist dabei etwas übertrieben, denn es wurde lediglich eine "Art" des typischen RhB-Masts mit dem Doppel-HH-Profil und Fahrdraht-Bausätzen, bestehend aus Fahrleitung, Tragseil und Hängern, präsentiert. Ein Quertragwerk, das mindestens drei Gleise überspannen konnte, und der RhB-typische Innenbogenmast mit gebogenem Ausleger fehlten. Imerhin waren der RhB-Mast und die Fahrdrähte aber ein Anfang.

LGB Prospekt Oberleitung aus dem Jahre 1987

Durch die temporäre Zusammenarbeit von LGB mit der Behindertenwerkstätte AZL wurde das Angebot an Varianten erweitert. AZL fertigte für LGB das bereits bekannte Grundprogramm, zusätzlich wurden ein dreifaches Quertragwerk und der Mast mit Bogenausleger ins Programm aufgenommen. Damit liess sich arbeiten. LGB selbst zeigte wenig Interesse an der Sparte Fahrleitung. Auch wenn mittlerweile einige Elektrolokomotiven im Angebot sind. Das Sortiment beschränkte sich auf den Streckenmast mit Fahrdrähten und ein paar Kleinteile. Quertragwerke oder Bogenmasten werden, wenn überhaupt, nur von Fremdherstellern angeboten. 


Mast und Quertragwerk für vier Gleise aus dem Trainli Fahrleitungssortiment

Die Firma Trainli bietet seit einiger Zeit ein umfassendes Programm mit vielen Teilen zur Realisierung einer Fahrleitung nach Schweizer Vorbild in Spur G an. Von Masten über Ausleger, Isolatoren bis hin zu Gitterquertragwerken in verschiedenen Längen. Damit lässt sich eine Anlage mit einer vorbildgetreuen und sogar funktionierenden Oberleitung ausstatten.

Das Trainli-Oberleitungsprogramm ist vollständig mit dem LGB-Programm kompatibel. Die Mastprofile werden in dieselben LGB-Mastsockel aus Kunststoff montiert. Trainli verwendet für sein Oberleitungsprogramm, soweit möglich, rostfreien Stahl oder Aluminium und für einige Teile wie Isolatoren Kunststoff, was Sinn ergibt. Die Trainli-Oberleitung ist durchgehend modular konzipiert, und jedes Teil ist einzeln erhältlich. Für heutige Ansprüche sind die Quertragwerke, die Trainli in drei Varianten anbietet, das Mass aller Dinge. Das Gittertragwerk ohne Verjüngung und das Quertragwerk mit Verjüngung sind in jeder Länge bis 1000 mm lieferbar. Mit einem 1000 mm Quertragwerk, Swiss und Hand Made gefertigt, ist das Überspannen von bis zu fünf Gleisen möglich. Die von LGB bekannten Quertragwerke für zwei und drei Gleise sind nach wie vor im Programm. Die Montage der Quertragwerke erfolgt an massstäblichen Doppel-HH-Profilen. Das Profilmass der Masten beträgt masstäbliche 9,95 mm. Auf Wunsch sind individuelle Längen der Mastenprofile möglich. Die Streckenmasten werden in gerader und in gebogener Form angeboten. Zu den Quertragwerken sind Hänger für die Fahrleitungsausleger erhältlich. Diese aus gelasertem Edelstahlblech gefertigten Teile sind sehr stabil und einfach zu montieren. Das Trainli-Fahrleitungssortiment ist für einen vorbildgetreuen Fahrbetrieb mit gehobenem Stromabnehmer an der Fahrleitung ausgelegt und sehr stabil, wirkt aber trotzdem optisch nicht zugrob. Alle Teile werden entweder gesteckt oder mit Schrauben und Muttern verschraubt, was die geforderte Stabilität garantiert.

Auf einen gespannten Fahrdraht habe ich bis heute verzichtet. Auch wenn meine Anlage heute nur noch auf rund 400 m ü.M. liegt und Schnee auf dieser Höhe als rares Gut gilt, sollte das Spannen der Fahrleitungsdrähte gut überlegt sein, insbesondere bei Haustieren wie Hunden und Katzen. Und auch ohne eigene Haustiere können unerwünschte Besuche von wild lebenden Vierbeinern in den nächtlichen Ruhezeiten Schäden an der Installation hinterlassen, so dass es nachvollziehbar ist, eher auf das Spannen der Drähte zu verzichten. Ein 150 mm² Fahrleitungsseil beim Vorbild wäre im Maßstab 1:22,5 gerade noch 6,6 mm² ob man aus 10 Metern Entfernung so einen Fahrdraht überhaupt noch wahrnimmt?  

Mit etwas Abstand kaum mehr zu erkennen ob auch ein Fahrdraht verlegt wurde oder nicht

Aus diesem Grund wurde auf die Montage der Fahrleitungsdrähte verzichtet. Doch auch ohne Drähte sind die Masten und Quertragwerke auf der Anlage so platziert, als wärenFahrdrähte vorhanden. Auf weichenfreien Bahnhofsgleisen wurde ein grösserer Abstand der Masten gewählt als im gebogenen Weichenbereich der Ausfahrt. Wird der Mast kurveninnenseitig gesetzt, wird korrekterweise ein Mast mit gebogenem Ausleger verwendet. Auf gerader Strecke ein Mast mit geradem Ausleger. Das Gesamtbild der Anlage profitiert von der Montage von Fahrleitungsmasten und Quertragwerken und gewinnt dadurch an Vorbildlichkeit. Die Mastfüsse nach dem LGB-System sind für eine Montage durch Anklipsen ans Gleis vorgesehen. Diese Konstruktion eignet sich sogar für lose oder fliegend verlegte Anlagen. Für eine fest montierte Anlage kann es ratsam sein, den Klickmechanismus zu entfernen und den Mast mit zwei Schrauben auf dem Fundament der Anlage zu befestigen. Die Schrauben lassen sich durch eine Mischung aus Schotter und Sarnacol 2116 Kieskleber gut kaschieren.

Je näher das Schleifstück am Spurhalter - desto vorbildlicher der Eindruck.

Die Höhe des fiktiven Fahrdrahtes wird so gewählt, dass die Modelle mit gehobenem Stromabnehmer einen möglichst geringen Abstand zum Spurhalter aufweisen, aber trotzdem gefahrlos darunter passieren können. Vor der ersten Fahrt wird empfohlen, visuell und mit einer Lehre die Lage der Spurhalter kurz zu prüfen – ein geringer Aufwand. 


 

 

Aus dem LGB 3530 entstandenes Testfahrzeug für die routinemässige Spurhalterlagekontrolle 

Ich habe mir für die Spurhalterlageprüfung ein Prüffahrzeug entwickelt. Dafür habe ich mir wieder den Fahrleitungsmontagewagen von Früher zugelegt und zum Profilmessfahrzeug umfunktioniert. Der Wagen stammt eigentlich aus dem Strassenbahnsortiment und ich hatte den mal früher, zusammen mit der elektrischen Rottenlok. Mangels Verwendung und vor allem Vorbildtreue, hatte ich beides verkauft - jetzt habe ich den Fahrleitungswagen wieder gefunden und gekauft. 

Testfahrzeug im Einsatz bei der Spurhalterlagekontrolle 

Wie auch immer, ob mit oder ohne Fahrdraht: Ich bin der Meinung, Elektrolokomotiven sollten immer mit gehobenen Stromabnehmern fahren. Eine Elektrolokomotive sieht einfach beschi...en aus, wenn sie mit gesenktem Stromabnehmer ihre Runden zieht – nur weil man der Meinung ist, dass, wenn keine Fahrleitung vorhanden ist, auch kein Pantograph gehoben sein müsste. Es gibt drei akzeptable Ausnahmen, dass bügeltief erlaubt ist: Es handelt sich um eine Dampflokomotiven, eine Diesellokomotiven oder eine Zweikraftlokomotive im Dieselbetrieb. Solche Modelle dürfen ohne gehobenen Stromabnehmer verkehren.

Bügeltief ohne Fahrleitung, auch wenn keine Fahrleitung montiert ist - bitte nur wenn das Fahrzeug abgestellt ist.

Zum Schluss: Auch wenn zurzeit auf der Anlage kein Fahrdraht montiert ist, reicht es zu wissen, dass jederzeit ein Fahrdraht verlegt werden könnte.