RhB Ge 4/4 I 601-610
Die erste moderne RhB-Ellok
RhB Ge 4/4 I 606 KESCH in Davos Platz
Geschichte
Bis Mitte der 1940er-Jahre bewältigten die elektrischen Stangenlokomotiven fast den gesamten Verkehr auf dem Netz der Rhätischen Bahn. Im Frühjahr 1944 begann die RhB mit Studien zur Entwicklung einer neuen Lokomotivgeneration: gesucht war eine moderne, laufachslose Maschine für den Schnell- und Güterzugsdienst. Die Schweizer Industrie – MFO, SLM und BBC – entwickelte daraufhin eine Lokomotive, die technisch stark an die Ae 4/4 der Bern–Lötschberg–Simplon-Bahn (BLS) angelehnt war. Zwischen 1947 und 1951 wurden insgesamt zehn Lokomotiven geliefert.
Konstruktion
Die Ge 4/4 I besitzt zwei Drehgestelle mit je zwei angetriebenen Achsen, die von achtpoligen Reihenschlussmotoren angetrieben werden. Die Energiezufuhr erfolgt über zwei Scherenstromabnehmer, welche über eine Dachleitung und einen Druckluft-Hauptschalter den Transformator speisen. Die Fahrmotoren werden über einen 28-stufigen Hochspannungs-Stufenschalter mit Luftmotor geregelt. Zur Ausrüstung gehören eine Rekuperationsbremse und (bei den ersten Serien) eine Vielfachsteuerung. Die Drehmomentübertragung erfolgt über den bewährten BBC-Federantrieb, der sich bereits auf zahlreichen normalspurigen Lokomotiven bewährt hatte. Die erste Lokomotive (Nr. 601) wurde im Juli 1947 ausgeliefert. Aufgrund der guten Betriebserfahrungen folgten 1951 sechs weitere Maschinen. Diese zweite Serie verzichtete jedoch auf die Vielfachsteuerung, welche den Betrieb zweier Loks durch einen einzigen Lokführer ermöglicht hätte.
Einsatz und Entwicklung
Dank ihrer höheren Höchstgeschwindigkeit wurden die Ge 4/4 I in den ersten Betriebsjahren hauptsächlich im Schnellzugsdienst eingesetzt und lösten allmählich die Stangenlokomotiven Ge 6/6 I und Ge 4/6 ab. Auf den steilen Rampen der Albulalinie reichte die Leistung jedoch bei schweren Zügen nicht aus – häufig war Vorspann mit einer Ge 2/4 oder Doppeltraktion nötig. So wanderten die Loks allmählich in leicheres Dienstgebiet: Regionalzüge im Unterengadin, Pendelzüge nach Davos und Postzüge auf der Albulastrecke. Mit dem Eintreffen der stärkeren Ge 6/6 II (ab 1958) und später der Ge 4/4 II (ab 1973) wurden die Ge 4/4 I zunehmend in Neben- und Regionaldiensten eingesetzt.
Refit und Modernisierung Zwischen 1986 und 1991 wurden alle zehn Lokomotiven in der Hauptwerkstätte Landquart umfassend modernisiert. Altersschwache und korrodierte Bauteile wurden ersetzt, die alten Führerstände entfernt und durch neue, leicht verlängerte Kabinen mit ergonomischen Führertischen ersetzt. Die elektrische Ausrüstung wurde bis zur Trafowicklung neu verkabelt, und alle Loks erhielten eine neue Vielfachsteuerung, die den Steuerwagenbetrieb erlaubte. Mitte der 1990er-Jahre folgte der Ersatz der Scherenstromabnehmer durch moderne Einholmstromabnehmer, was den Einsatz auf der Arosalinie ermöglichte.
Einsatz in der Neuzeit Die modernisierten Ge 4/4 I wurden danach im gesamten Netz vor leichten Reisezügen, Regionalzügen und Sonderleistungen eingesetzt. Dank ihres geringen Gewichts und der kompakten Bauweise eigneten sie sich auch für Strecken mit engen Radien und niedrigerem Lichtraumprofil – etwa nach Arosa oder ins Unterengadin. Bis in die 2010er-Jahre waren sie regelmässig vor dem Bernina-Express, dem Heidiexpress und Schnellzügen Davos – Disentis zu sehen. Einige Maschinen haben bis heute eine Gesamtlaufleistung von über fünf Millionen Kilometern auf Schmalspur erreicht.
Aktueller Bestand
(Stand 2025) Von den ursprünglich zehn Lokomotiven der Serie Ge 4/4 I sind heute noch drei erhalten, davon eine betriebsfähig.
| 605 | SILVRETTA | 1947 | RhB Landquart | Einsatz vor Nostalgie- und Extrazügen |
| 602 | BERNINA | 1947 | RhB Landquart | z Zt in Luzern für Stiftung Grün & Chrom vorgesehen |
| 603 | BADUS | 1947 | RhB Landquart | z Zt abgestellt in Landquart |
Technische Daten

| Bezeichnung | Ge 4/4 I |
| Betriebsnummern | 601 – 610 |
| Achsanordnung | BoBo |
| Fahrleitungsspannung | 11 kV~, 16,7 Hz |
| Spurweite | 1.000 mm |
| Länge über Puffer | 12.100 mm |
| Breite | 2.650 mm |
| Dienstgewicht | 48,0 t |
| Max. Leistung | 1.184 kW |
| Höchstgeschwindigkeit | 80km/h |
Fahrzeugnamen
| 601 Albula | 606 Kesch |
| 602 Bernina | 607 Surselva |
| 603 Badus | 608 Madrisa |
| 604 Calanda | 609 Linard |
| 605 Silvretta | 610 Viamala |

