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Eine Modellbahn im fast gigantischen Massstab 1:10 auf dem Luzerner Hausberg

Die im Naherholungsgebiet von Luzern auf dem Dietschiberg gelegene im Massstab 1:10 (eins zu zehn) erbaute Modellbahn von Herrn dipl. ing Arthur Oswald. Eine Freiland Modellbahn von fasszinierendem Ausmass.

Vor fast 40 Jahren konnte ich im Anschluss eines Besuchs im Schweizerischen Verkehrshauses Luzern meine Tante überzeugen, dass es sich auch noch lohnen würde, mit der schon lange stillgelegten Drahtseilbahn auf den Dietschiberg zu fahren. Was mich damals hoch über der Stadt Luzern als grosser, aber noch kleiner Eisenbahnfan erwartete, war schlicht überwältigend: Eine Modelleisenbahnlage im Freien vor der Kulisse des Luzerner Hausbergs, dem Pilatus, in einem Massstab von gigantischem Ausmass, der schlicht vergessen liess, dass da nur eine Nachahmung des grossen Vorbilds an uns vorbei ratterte.

Ingenieur Arthur Oswald begann 1932 auf seinem Grundstück auf dem noch fast unverbauten Dietschiberg eine naturgetreue Freianlage im Massstab 1:10 zu bauen. Durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen, beendete der tatkräftige Mann erst 1951 seine Anlage. 427 m Doppelspurstrecke mit einer Spurweite von 144 mm legte Arthur Oswald ins Gelände.

Gleisplan der Anlage

Die Streckenführung war eine Art gebogener Hundeknochen mit an beiden Enden angeordneten Kehrtunnels, ähnlich wie bei der Gotthardbahn. Der Südkehrtunnel mass 98 m mit einem Radius von 14 m und lag in einer durchgehenden Steigung von 30 Promillen. Der Tunnel musste auf der ganzen Länge aus dem Felsen regelrecht gesprengt werden. Damit man aufrecht im Tunnel arbeiten konnte, wurde ein 2 m hohes Profil vorgesehen. Seine Frau musste Arthur Oswald während den Sprengarbeiten beurlauben, denn der Tunnel unterquert sein Wohnhaus.

Der Süd-Westkehrtunnel misst 121 m und liegt an der tiefsten Stelle 16m unter der Erdoberfläche. Er musste ebenfalls fast auf der ganzen Länge aus dem Fels gesprengt werden. Der Ausbau der Tunnels erfolgte mittels eigens angefertigter Holzschalen, die mit Beton ausgefüllt wurden. Die fertigen Tunnels sind 90 cm Breit und 65 cm hoch. Für den Ausbau der Tunnels wurden etwa 120 Tonnen Beton verbaut.

Das Bahntrasse war äusserst solide ausgeführt. Die Schienen wurden auf 20 cm dicken und teils armierten Betonplatten verlegt, um den enormen Lasten der grossen Züge standzuhalten.


Eine Nachahmung eine SBB A 4/7 in blau

Auch die Fahrzeuge hat Arthur Oswald selber konstruiert und gebaut. Fünf Lokomotiven und die dazugehörenden Wagen wurden in seiner Werkstatt hergestellt. Die Lokomotiven wurden von je vier Motoren angetrieben, die in jedem Triebfahrzeug eine Gesamtleistung von 3 PS entwickelten. Diese Leistung ermöglichte, Züge mit einem Gewicht bis 500 kg mit einer Geschwindigkeit von 22 km/h zu befördern, einer Geschwindigkeit, die massstäblich also weit über derjenigen des Vorbilds lag. Die Loks wurden mit 220 V Einphasen Wechselstrom aus der Fahrleitung (!) versorgt. Die Motoren wurden mit maximal 65 V gespeist, die sie aus einem Transformator in der Lok bezogen. Dies erklärt das grosse Gewicht der Lokomotiven von fast 200 kg. Die Lokomotiven waren den SBB Maschinen des Typs Ae 4/7, Be 4/6 und Ae 6/6 nachempfunden und hinterlassen im Freien einen majestätischen Eindruck.

Die Steuerung der Züge erfolgte über einen Stufenschalter in der Kommandozentrale. Er regelte die Fahrleitungsspannung von minimal 75 V in Stufen von etwa 20 V auf die volle Wechselspannung von 220 V. Der gesamte jährliche Energiebedarf für den Betrieb der Anlage belief sich auf ungefähr 1’500 kWh.

Eine SBB Ae 6/6 mit einem Schnellzug verlässt den Süd Kehrtunnel

Die naturgetreue Anlage verschlang Unmengen an Material. 4’000 kg Schienen, 7’500 Holzschwellen, 30`000 Schwellenschrauben und 700 t Beton wurden vor, während und nach den Kriegsjahren verbaut. Die Beschaffung der Materialen verursachte grosse Probleme, denn während des Krieges waren viele Materialien, wie Zement und Eisen für Private nicht erhältlich.

Bau, Betrieb und Unterhalt einer Anlage solchen Ausmasses setzten hohes technisches Know-how und eiserner Wille voraus. Störungen und Defekte liessen nie Langeweile aufkommen und setzten ständige Einsatzbereitschaft voraus. Zweck Ausführung von Reparaturen in den Kehrtunnels wurde eigens ein Montagewagen mit Bremsen konstruiert. Auf diesem „Liegewagen“ konnte Ingenieur Oswald unter Ausnützung des Gefälles die Tunnels durchfahren und die nötige Reparaturen ausführen. Keine Arbeit für Platzangstgeplagte! Die Fahrleitung mit 220 V wurde aus Sicherheitsgründen selbstverständlich ausgeschaltet!

Der Bahnhof der Modellbahnanlage auf dem Dietschiberg, die Züge fahren mit einer Spannung von 220V !!

Zur „kleinen“ Dietschiberg-Bahn führte eine „grosse“, die damalige Standseilbahn, die vom See hinauf auf das Plateau des Dietschibergs führte. Die Standseilbahn war im Besitze der Dietschiberg AG. Eine Aktiengesellschaft, deren Aktien im Besitz sämtlicher Nachkommen von Arthur Oswalds Vater waren. Leider wurde der Betrieb der Bahn Ende der siebziger Jahre eingestellt. Die Rettung der Bahn, für die sich eine private Interessensgemeinschaft eingesetzt hatte, gelang leider nicht. Die Bahn wurde inzwischen abgebrochen, und nur noch die Talstation an der Haldenstrasse hat als Zeuge dieser nostalgischen Zeit überlebt.

Die Modelleisenbahnanlage Dietschiberg musste einem Golfplatz weichen. Eine Entwicklung, die bei vielen Liebhabern der Dietschiberg-Freilandanlage mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden ist. Aber wenigstens konnten die Fahrzeuge und viele einmalige Unterlagen der Modellbahn ins Verkehrshaus gerettet werden. Was mit den Unikaten geschehen soll, ist noch ungewiss. Es war einmal geplant, auf einer kleineren Anlage im Verkehrshausareal einen Teil dieser Modellbahn wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch mangels Zeit und Geld konnte dieses Projekt bis heute nicht realisiert werden.

Die Dietschiberg Modellbahn 1968 - Ein Super 8 Film von Lukas Bischoff

Dauer 01:17 min

 

Literatur Nachweis:

Schülerkalender 1952

Sonderdruck aus Wirtschaft und Technik im Transport März 1945

LNN Nr.80 3. April 1968/21.6.1990

Vaterland Nr. 133, 10.6.1972/30.6.1990

Der Brückenbauer

Dr. Paul Schneeberger NZZ Redaktor

Video Lukas Bischoff