RhB ABe 8/12
«Allegra» –Zweisystem-Power für Stammnetz und Berninabahn

Allegra – oder Grüezi, wie man in der Schweiz sagt – ist seit 2010 nicht mehr nur eine freundliche Begrüssung, sondern auch der Name einer neuen Generation leistungsstarker Triebzüge der Rhätischen Bahn. «Allegra» ist eine rätoromanische Grussformel und steht sinnbildlich für die neue Beweglichkeit auf der Berninalinie und dem Stammnetz der RhB. Und wenn ein Bericht über das legendäre „Rhätische Krokodil“ fast schon ein Muss ist – dann hat heute auch der moderne Allegra seine verdiente Bühne. Die ABe 8/12 «Allegra» sind dreiteilige, zweisystemfähige elektrische Triebzüge, die Stadler Rail in insgesamt 15 Einheiten für die Rhätische Bahn gebaut hat. Am 13. Oktober 2009 wurde der erste Zug in Landquart abgeliefert, seit 2010 stehen die Züge im fahrplanmässigen Einsatz auf den anspruchsvollsten Strecken des Netzes – vom Bernina bis zur Arosa-Linie.
Ausschreibung und Beschaffung
Auf Basis des Flottenkonzepts 2005 schrieb die RhB zwei Fahrzeugtypen aus:
• 15 dreiteilige Zweisystem-Triebzüge für Stammnetz und Berninalinie
• 5 Einsystem-Triebzüge fürs Stammnetz mit ≥ 180 Sitzplätzen
Das Pflichtenheft verlangte Modularität, komfortable Einstiege/Wagenübergänge, barrierefreie Bereiche und ein harmonisches Design. Angeboten haben unter anderen Bombardier und Stadler, den Zuschlag erhielt Stadler (geringere Kosten). Zusätzlich schlug Stadler vor, die Triebzüge statt mit vier mit acht Fahrmotoren auszurüsten – für deutlich mehr Leistung und Reserven.
Konzept
Die Allegra bestehen aus zwei baugleichen Endtriebwagen und einem teilweise niederflurigen Mittelwagen. Die Berninabahn mit engen 45-m-Radien begrenzt die Wagenlänge; die Antriebsausrüstung liegt konzentriert in den Endwagen, um hohes Adhäsionsgewicht und sichere Laufeigenschaften auch bei grosser Schneelage zu erzielen. Transformatoren und Stromrichter sind unterflur, Klimaanlagen, Bremswiderstände und Hochspannungsausrüstung auf dem Dach; im Innenraum verblieben im Wesentlichen Kompressoren und Vakuumpumpe. Die Züge sind zweisystemfähig für 11 kV/16,7 (Stammnetz) und 1000 V = (Bernina). Das ermöglicht eine einheitliche Serie mit maximaler Einsatzflexibilität über das ganze Netz.
Leistung & Lasten
Mit einer Dauerleistung von 2,3 MW und einer Anfahrzugkraft von 280 kN erreicht der Allegra Werte auf dem Niveau einer Ge 4/4 III. Dank acht angetriebener Achsen können hohe Anhängelasten bei einer moderaten Achslast von rund 11 t bewältigt werden – ein Vorteil für die Schonung von Schienen und Trassee. Mehrfachtraktionen oder Vorspannleistungen sind damit selten bis nie notwendig.
Lasttabelle RhB ABe 8/12 «Allegra»
| Steigung | Strecke | Geschwindigkeit | Anhängelast (1 Triebzug) | Anhängelast (2 Triebzüge) |
| 35 ‰ | Albulalinie | 60 km/h | 145 t | 245 t |
| 45 ‰ | Landquart – Davos | 55 km/h | 115 t | 185 t |
| 60 ‰ | Chur – Arosa | 35 km/h | 90 t | 200 t |
| 70 ‰ | Berninabahn | 40 km/h | 70 t | 160 t |
Technik
Mechanischer Teil
Jeder Wagen läuft auf zwei zweiachsigen Drehgestellen; die Einheiten sind kurzgekuppelt (Werkstatttrennung). Der Mittelwagen bietet Niederflureinstiege mit Schiebetritten und eine PRM-Toilette. Hinter beiden Führerständen befinden sich 1.-Klasse-Abteile; die verglaste Trennwand erlaubt einen Blick auf das mittig angeordnete Führerpult. Die Wagenkästen sind geschweisste Aluminium-Integralbauten (Längsdruckkraft 800 kN).
Elektrischer Teil
Drei Einholmstromabnehmer (2× DC, 1× AC) sind über eine Hochspannungsdachleitung verbunden. Das System wird beim Einschalten automatisch erkannt; der Wechsel erfordert ein kurzes Senken. Im AC-Betrieb: Dachleitung → Vakuumhauptschalter → Traktionstransformator → Stromrichter → Motoren. Im DC-Betrieb: Dachleitung → DC-Trenner/Schnellschalter/Netzdrossel → Zwischenkreis. Zusätzliche Trafo-Wicklungen (320 V/1000 V) speisen die Zugsammelschiene/Heizung.
Bremsen & Bedienung
Der Allegra verfügt über eine elektrische Rekuperationsbremse, welche die erzeugte Bremsenergie in das Netz zurückspeisen kann. Bei einer Netzsperre, wenn keine Rückspeisung ins Netz möglich ist, wird die Energie über Bremswiderstände abgeleitet. Zusätzlich besitzt der Triebzug eine Druckluftklotzbremse sowie eine Vakuumbremse für die Anhängelast. Für die Bernina- und Chur–Arosa-Linie sind ausserdem Magnetschienenbremsen vorhanden.
Die präzise Geschwindigkeitsregelung arbeitet mit getrennter Vorgabe von Sollgeschwindigkeit und Zug- bzw. Bremskraft. Die Bedienlogik entspricht jener der anderen RhB-Lokomotiven – mit getrennter Ansteuerung der elektrischen und pneumatischen Bremse.
Einsatz
Seit 2011 sind die Allegra-Triebzüge auf der Berninabahn die Hauptträger des Verkehrs. Heute wird dort der gesamte fahrplanmässige Verkehr mit Allegra geführt – der Bernina Express verkehrt sogar ab Chur durchgehend ohne Traktionswechsel in Pontresina. Auch vor Güterzügen sind die Allegra gelegentlich anzutreffen, sehr zur Freude der Eisenbahnfans.
Auf der Arosabahn bespannen sie den Grossteil der Züge und unterstützen dabei die Ge 4/4 II. Auf der Strecke Landquart – Davos – Filisur wurden sie mittlerweile durch die Capricorn-Triebzüge verdrängt.
Die regelmässigen Unterhaltsarbeiten an den Allegra Zügen werden hauptsächlich in Landquart, Samedan und Poschiavo ausgeführt.
Fahrzeugnamen RhB ABe 8/12 «Allegra»
| Nummer | Name | Bemerkung | |
| 3501 | Willem Jan Holsboer | Erster «Allegra», Präsentation 2009 in Landquart | |
| 3502 | Friedrich Hennings | ||
| 3503 | Carlo Janka | ||
| 3504 | Dario Cologna | ||
| 3505 | Giovanni Segantini | ||
| 3506 | Anna von Planta | ||
| 3507 | Benedetg Fontana | ||
| 3508 | Richard Corey | ||
| 3509 | Placidus Spescha | ||
| 3510 | Alberto Giacometti | ||
| 3511 | Otto Barblan | ||
| 3512 | Jörg Jenatsch | ||
| 3513 | Simeon Bavier | ||
| 3514 | Steivan Brunies | ||
| 3515 | Alois Carigiet | Letzte Einheit der Serie |
Geschwindigkeitsrekord
Am 20. Dezember 2010 erreichte der ABe 8/12 3502 im Vereinatunnel einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf Meterspur: 145 km/h. Damit überbot der Allegra die damalige Bestmarke des RBS RABe 4/12 «NExT» um 11 km/h.
Verwandte Bauart
Für den Regionalverkehr im Raum Chur folgten ab 2011 die ABe 4/16, bei denen die Fahrzeuge länger ausgeführt sind. Der Zug besteht aus einem Triebwagen, zwei Mittelwagen und einem Steuerwagen. Technisch sind sie eng mit den Allegra verwandt, jedoch ausschliesslich für das Stammnetz-Stromsystem zugelassen.
Technische Daten RhB ABe 8/12 «Allegra»

| Bezeichnung | ABe 8/12 |
| Hersteller | Stadler Rail AG, Bussnang |
| Baujahr | 2009 – 2011 |
| Anzahl Fahrzeuge | 15 Einheiten 3501 bis 3515 |
| Achsfolge | Bo’Bo’ + 2’2’ + Bo’Bo’ |
| Spurweite | 1 000 mm |
| Länge über Kupplung | 49 500 mm |
| Breite / Höhe | 2 650 mm / 3 800 mm |
| Dienstgewicht | ca. 96 t |
| Leistung | 2 400 kW (2,3 MW) |
| Anfahrzugkraft | 280 kN |
| Höchstgeschwindigkeit | 100 km/h |
| Antriebssystem | 8 angetriebene Achsen, Asynchronmotoren |
| Stromsysteme | 11 kV 16,7 Hz AC / 1 000 V DC |
| Sitzplätze | 24 (1. Klasse) / 76 (2. Klasse) + Stehplätze |
| Besonderheiten | Zweisystemfähig, barrierefreier Einstieg, Klimaanlage, Vielfachsteuerung |
Hinweise: Stückpreis ca. 10 Mio. CHF, Sitzplätze je Einheit ca. 24 (1. Kl.) + 76 (2. Kl.) + 14 Klappsitze, 2 Rollstuhlplätze. Diagnosesystem und Antriebe mit Stadler-Familien (GTW/FLIRT/NExT) verwandt.