DFB HG 4/4 - eine Zahnradlok auf dem Weg zur Legende
DFB HG 4/4 704 (Foto Martin Horath)
Die DFB Zahnrad-Dampflokomotive HG 4/4 704, hat eine grosse Vergangenheit hinter sich und eine lebendige Zukunft vor sich. Seit dem Rollout im Oktober 2018 leistet die wieder fit gemachte Fünfundneunzigjährige, ihre Dienste auf der Furka Bergstrecke.
Ihre Karriere begann 1923 bei der Bahngesellschaft „Chemins de Fer Indochinois (CFI)“ im damaligen Französisch-Indochina und heutigen Vietnam, auf der 84 Kilometer langen meterspurigen Bahnstrecke von Tháp Chàm am südchinesischen Meer hinauf zum 1500 m höher, im zentralen Bergland gelegene Đà Lạt.
Die Strecke wurde von 1908 bis 1932, in mehreren Etappen gebaut. Die ersten Züge im Flachland verkehrten bereits 1913 bis Tân Mỹ, und ein Jahr später bis Sông Pha, am Fuße der Gebirgskette. Diese 41 km der Trasse lagen in einer Tiefebene, die bautechnisch keine großen Anforderungen stellte. Als ab 1923 die SLM mit der Auslieferung der ersten Lokomotiven des Typs HG 4/4 begann, konnten diese gleich beim Bau der Bergstrecke eingesetzt werden.
Die zweite Hälfte der Strecke, hinauf ins zentrale Bergland, lag aber in einem wilden unwegsamen Gebirge und war bautechnisch eine grosse Herausforderung. Dafür wurden schwedische Ingenieure mit Erfahrung im Bau steiler Gebirgsbahnen hinzugezogen. Zur Bewältigung der 1500 Höhenmeter in der brüsk ansteigenden Bergregion ab Sông Pha, mussten drei Zahnstangenabschnitte realisiert werden. Allein auf der nur 10 Kilometer langen Strecke von Sông Pha nach Eo Gio war eine Höhendifferenz von 850 m zu bewältigen. Dazu wurde der erste Zahnstangenabschnitt mit einer Steigung von 120 Promille und zwei Tunnels gebaut. Die Bauarbeiten für den wohl anspruchsvollsten Streckenabschnitt konnten erst nach einer längeren Planungs- und Bauzeit 1928 abgeschlossen werden, während auf der folgenden flachen und unproblematischen Strecke bis Đơn Dương bereits ein Jahr später der Betrieb aufgenommen wurde.
Mit dem 1930 fertiggestellten 6 km langen Zahnstangenabschnitt zwischen Đơn Dương und Tram Hanh überwand die Trasse mit einer Steigung von 115 Promille weitere 500 Höhenmeter. Danach folgte der abfallende Adhäsionsabschnitt bis Da Tho mit drei Tunnels.
Die letzte, 3 km lange Zahnradstrecke, bis hinauf zum Scheitelpunkt auf 1550 m Höhe, weist eine relativ geringe Steigung von nur 60 Promille auf. Von Trại Mát bis zum Endbahnhof Đà Lạt, folgte eine Adhäsionsstrecke, auf welcher im Dezember 1932 der Eröffnungszug mit der kräftigen Zahnrad-Dampflokomotive HG 4/4 einfuhr. Heute ist der Bahnhof von Đà Lạt ausdem Jahre 1938 ein Kulturdenkmal.
Mit der Têt-Offensive von 1968 und auch später erfolgten regelmäßig Attacken auf die Bahnstrecke und die Züge. Deshalb musste der Betrieb immer wieder stillgelegt werden, bis 1975 das definitiven Aus der Bahn besiegelt wurde. Nach der Betriebseinstellung 1975 erfolgte ab 1976 der Rückbau der ganzen Strecke.
Übrig blieb lediglich die 7 km lange Strecke von Trại Mát bis zum Bahnhof Đà Lạt. Sie wird heute noch als touristische Attraktion betrieben. Interessierte Kreise haben aber auch den vollständigen Wiederaufbau der gesamten Strecke in Erwägung gezogen.
Technische Daten
Inbetriebsetzung | 1923/2018 | ||||
Zahnstangensystem | Abt | ||||
Leistung | 800 PS | ||||
Breite | 2650 mm | ||||
Drehgestellachsstand | 2000 | ||||
Höchstgeschwindigkeit | 40/15 km/h | ||||
Raddurchmesser neu | 855 | ||||
Anzahl Fahrzeuge | 1 | ||||
Länge über Puffer | 8950 mm |
Dass die Chemins de Fer Indochinois für die Beschaffung der Triebfahrzeuge bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur anklopften, war kein Zufall, denn diese hatte bereits einschlägige Erfahrungen mit den zehn Jahre zuvor an die BFD Brig-Furka-Diesentis-Bahn gelieferten Zahnradlokomotiven des Typs HG 3/4 für das zweilamellige Abt-System gesammelt. Zum einen waren die topographischen Verhältnisse im Einsatzgebiet vergleichbar und zum anderen auch die technischen Anforderungen an die Maschinen. Zwar war die maximale Steigung im Zahnstangenbereich in den Bergen von Sông Pha mit 120 Promille noch etwas grösser als die 110 ‰ bei der Brig-Furka-Diesentis-Bahn. Dafür konnte die HG 4/4 etwas einfacher gebaut werden, da sie immer Feuerbüchse voraus die Steigungen befuhr. Die HG 3/4 kann berwärts und talwärts ohne abzudrehen verkehren, die HG 4/4 nur bergabwärts.
Durch den Ersatz der Laufachse durch eine vierte, angetriebene Achse erhöhte sich die Leistung auf 800 PS. Dennoch ist die Länge über Puffer gegenüber der HG 3/4 nur gerade 20 cm länger. Der getrennte Antrieb für Adhäsion und Zahnrad ermöglicht auf flachen Strecken höhere Geschwindigkeiten und war im Falle der CFI von Bedeutung, lag doch die Hälfte der Strecke in einer Tiefebene, wo die maximale Geschwindigkeit von 40 km/h ausgenutzt werden konnte.
Ab 1923 wurden die ersten von insgesamt neun HG 4/4 Lokomotiven in der typischen grün/schwarzen Lackierung an die unter französischer Kolonialverwaltung stehende Compagnie Génerale de Colonies Paris nach Indochina geliefert. Die Lokomotiven verfügen über vier in einem genieteten Innenrahmen gelagerte Kuppelachsen. Der Antrieb erfolgt auf die starr gelagerte dritte Kuppelachse. Achse 1 und 4 sind zusätzlich seitenverschiebbar und durch Federn zentriert gelagert. Die Federung der Lok erfolgt über Blattfederpakete. Die beiden Zahnräder für Zahnstangenantrieb sind in einem separaten Rahmenan geordnet, der sich über eigene Lager ungefedert auf die beiden mittleren Radsätze stütz. Die Untersetzung des Zahnradtriebwerk weist ein Verhältnis von 1:2 auf. Die Untersetzung bewirkt auch, dass das Zahnradtriebwerk im Zahnstangenbetrieb mit doppelter Drehzahl und in umgekehrter Richtung wie das Adhäsionstriebwerk läuft.
Das Kesselvolumen beträgt 2,85 m³. Der Wasservorrat wird in seitlichen Wasserkästen an beiden Seiten des Kessels mitgeführt. Die Triebwerke verfügen über eine gemeinsame Heusinger-Walschaerts-Steuerung. Im reinen Adhäsionsbetrieb wird die Lokomotive nur mit den Hochdruckzylindern gefahren. Für das Anfahren in einer Zahnstangenstrecke kann der volle Kesseldruck auf den Zahnradantrieb gegeben werden. Die Lokomotive verfügt über fünf unabhängige Bremssysteme. Die Bandbremsen mit zwei Handspindeln des Zahnradantriebes wirken auf die Zwischengelegewellen. Die Klotzbremse wirkt auf den ersten, dritten und vierten Kuppelradsatz. Im Gefälle wird mit der Gegendruckbremse der Zug in der Beharrung gehalten. Mit der Vakkuumbremse kann die Lok über das Adhäsionsbremsgestänge und die Anhängelast gebremst werden. Die Handlbremse wirk ebenfalls auf das Adhäsionsbremsgestänge.
Die HG 4/4 704 wurde 2018, nach einer fast 10 jährigen Totalsanierung durch das DFB Team Uzwil, die einem Neubau gleichkommt, erstmals wieder auf die Strecke geschickt. Nach einer langen und harten Testphase, soll am 31. August 2019 anlässlich eines Festaktes die Wiederinbetriebnahme gebührend gefeiert werden. Wegen eines gelösten Kurbelwellenzapfen an der Antriebsache ist aber nicht sicher, ob die Lokomotive bis dann wieder einsatzfähig sein wird, die DFB Spezialisten versuchen alles, um das schier unmögliche möglich zu machen. Es ist zu hoffen, dass ihnen das auch ein 2. Mal gelingt.