RhB Ge 4/6 353
Ge 4/6 353 am 24. Juli 2009 in Ardez
Geschichte Die 1913 eröffnete RhB-Linie ins Unterengadin von Bever nach Scuol-Tarasp wurde von Beginn an elektrisch betrieben – eine Pionierleistung der Rhätischen Bahn. Zum Einsatz kamen die neu entwickelten Lokomotiven des Typs Ge 4/6. Diese Maschinen ähnelten äusserlich den kleineren Ge 2/4, waren jedoch grösser und fast doppelt so leistungsfähig. Bemerkenswert war, dass der elektrische Teil der drei Lokomotiven von unterschiedlichen Herstellern stammte: • Nr. 351: elektrische Ausrüstung von AEG und BBC, • Nr. 352 und 353: elektrische Ausrüstung von MFO (Maschinenfabrik Oerlikon). Der mechanische Teil aller drei Maschinen wurde von der SLM Winterthur geliefert.
Mechanischer Teil
Die Ge 4/6 war als Starrrahmenlokomotive mit vier über Kuppelstangen angetriebenen Achsen konstruiert. Eine vordere Vorlaufachse diente der besseren Gewichtsverteilung und verringerte die Achslast. Zwei Traktionsmotoren trieben über eine sogenannte Schrägstange eine Blindwelle an, von der aus die Kraft über Kuppelstangen auf die Räder übertragen wurde – ein typisches Konstruktionsprinzip jener Zeit, das sich aus der Dampfloktechnik ableitete.
Elektrische Ausrüstung
Auf dem Dach befanden sich zwei Scherenstromabnehmer, die über eine Hochspannungsleitung miteinander verbunden waren. Der Strom floss über den Hauptschalter und die Hochspannungseinführung in den Transformator, der 13 elektromagnetisch geschaltete Anzapfungen besass. Eine elektrische Bremse wurde erst nach der Elektrifizierung der Albulalinie in den 1920er-Jahren nachgerüstet. Da die Lokomotiven ursprünglich keine Sicherheitssteuerung besassen, mussten sie zweimännig gefahren werden. Erst der Einbau der sogenannten „Totmannsteuerung“ im Jahr 1923 erlaubte den Einmannbetrieb.
Betrieb und Einsatz
Anfänglich besassen die Lokomotiven keine Schienenräumer. Im Winter wurden deshalb mächtige Schneeschilde montiert, die jedoch das Ankuppeln von Wagen verhinderten. Daher mussten die Maschinen an den Endpunkten der Strecke auf Drehscheiben gewendet werden. Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) führte der rückläufige Verkehr zu einer vorübergehenden Reduktion ihres Einsatzes. Erst nach der vollständigen Elektrifizierung der Albulalinie (1923) konnten die Ge 4/6 wieder regelmässig eingesetzt werden.
Erhaltene Lokomotive
Von den ursprünglich drei gebauten Maschinen blieb nur die Ge 4/6 Nr. 353 erhalten. Sie wurde durch den Club 1889 und die Rhätische Bahn aufwendig restauriert und ist heute betriebsfähig. Am 24. Juli 2009 feierte sie ihr 95-jähriges Jubiläum – exakt 95 Jahre nach der Eröffnung der Linie Bever – Scuol-Tarasp. Die Ge 4/6 353 ist damit die älteste betriebsfähige Elektrolokomotive der RhB und ein eindrucksvolles Zeugnis der frühen Elektrifizierung im Alpenraum.
Technische Daten
| Typenbezeichnung | Ge 4/6 |
| Ablieferung | 1913/1918 |
| Betriesbnummern | 301/302,351/352,353/355,391 |
| Noch im Dienst 2010 | 353 |
| Gewicht | 56t |
| Länge über Puffer | 11104mm |
| Höhe | 3970mm |
| Breite | 2650mm |
| Radstand | 8200mm |
| Höchstgeschwindigkeit | 50 km/h |
| Fahrleitungsspannung | 11 kV~, 16,7 Hz |
| Anzahl Fahrmotoren | 2 |
| Leistung | 588kw/800 PS |
| Anfahrzugskraft | 195kN |
| Stundenleistung | 115kN |
