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Der technisch anspruchsvolle Zahnradantrieb erfüllt seine Aufgabe hervorragend und verleiht dem Modell genug Zugkraft, um einen sechswagen Zug auf einer Steigung von 110 ‰ zu befördern. Trotz des grossen Achsstandes in den Drehgestellen meistert das Modell den Radius R1 mit 60 cm. Hier sei jedoch erwähnt: Wer so ein Modell auf dem Radius R1 einsetzt, ist irgendwie falsch abgebogen. Im Zahnradbetrieb sollte ein Mindestradius von R3 oder besser grösser gewählt werden und die Steigung von 110 ‰ sollte nicht überschritten werden. Dies entspricht der vorbildlichen Steigung am Nätschen von Andermatt nach Oberalppasshöhe. Auf grosszügige Übergangsradien aus der Ebene ins Gefälle muss geachtet werden – hier gilt: je größer, desto besser. Als Richtwert kann man von ca. 10 m ausgehen. Auf dem 181 ‰-Gefälle der Schöllenenbahn von Andermatt nach Göschenen sind die HGe 4/4 II beim Vorbild nicht zugelassen.

Das Problem bei Zahnstangenbetrieb ist, dass die Durchmesser der Antriebsräder grösser sein müssen als der Kopfkreis des Zahnrades. Nur so kann die Zahnstange in Weichen überfahren werden ohne dass sie mit aufwändigen Massnahmen weggeklappt werden müsste. Das bedeutet jedoch, dass die effektive Umfangsgeschwindigkeit der Antriebsräder höher ist als die des Zahnstangenzahnrades. Wenn das Zahnstangenzahnrad fest auf der Radsatzwelle des Antriebsrades montiert ist, würden Antriebsrad und Zahnstangenzahnrad mit derselben Drehzahl drehen. Aufgrund des Durchmesserunterschieds zwischen dem Antriebsrad und dem Wälzkreis des Zahnstangenzahnrades entsteht jedoch ein Geschwindigkeitsunterschied. Im Zahnstangenbetrieb haben die Antriebsräder eine etwas höhere Umfangsgeschwindigkeit, als sie eigentlich benötigen, was dazu führt, dass sie durchdrehen – dies wird als Schlupf bezeichnet und führt zu einem Leistungsverlust. Die gesamte Antriebsleistung muss über die Zahnstangenzahnräder aufgebracht werden, während die normalen Antriebsräder zusätzlich noch Leistung verbrauchen. LGB hat ein Getriebe entwickelt, das wie beim Vorbild, die Antriebsräder und das Zahnstangenzahnrad separat antreibt, sodass beide mit der korrekten Drehzahl laufen. Das Zahnstangenzahnrad dreht sich dabei etwas schneller um den kleineren Durchmesser auszugleichen. Dadurch wird der Schlupf eliminiert und es geht keine Leistung verloren. Auf der Zahnradstrecke wird nun, absolut vorbildgetreu, ein Teil der Leistung über die Antriebsräder übertragen und ein Teil über den Zahnstangenantrieb auf die Zahnstange. Dadurch fährt die Lok absolut ruckfrei und hat eine sehr hohe Zugkraft während die Zahnstange weniger belastet wird. Entgegen dem Vorbild weist der Zahnradantrieb nur ein Zahnrad pro Drehgestell auf. Das Vorbild hat auf jeder Achse eines. Der Vorteil liegt darin, dass das Modell beim Einlaufen in den Zahnstangenabschnitt nicht ins holpern gerät, weil das zweite Zahnrad nicht exakt gleich einläuft. Beim Vorbild wurde dies mit einer Kupplung gelöst – beim Modell wurde einfach auf das zweite Zahnrad verzichtet. Der Antrieb der MLGB HGe 4/4 II ist sehr aufwändig, aber das Resultat kann sich sehen lassen: Das Modell hat eine grosse Zugkraft und ruckelt auch bei Talfahrt nicht.

Schöne Dacharmaturen zeichnen das Modell aus - wenn der Hauptschalter noch lackiert wird, nahezu perfekt

Auch die Chassisanbauten mit Trafo, Druckluftbehälter und statischem Batterieladegerät sowie die Dämpfer und Federpakete an den Drehgestellen sind sehr schön ausgeführt. Diese kaschieren die serienmässigen Schleifkontakte die für eine bessere Stromabnahme montiert werden. Da das Modell keine Haftreifen hat, sind die Schleifer nicht zwingend notwendig. Wer seine Räder und Schienen regelmässig pflegt und sauber hält, wird auch ohne Schleifer keine Kontaktprobleme haben. Angetrieben wird das Modell von zwei längsliegenden Bühlermotoren. Für die Schaltung der Funktionen ist ein Multi-Protokoll-mfx-Decoder verantwortlich. Leider hat der Sound des Modells mit dem Vorbild der HGe 4/4 II keine Ähnlichkeit. Die typischen Geräusche der Fahrmotorventilatoren in den verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen wurden nicht realisiert. Der Sound gibt eine beliebige Elektrolokomotive wieder die wohl regelmässig in Göppingen vorbeifährt und bei LGB allgemein Verwendung findet. Nach wie vor gilt: Ein guter Sound kann ein schlechtes Modell nicht retten, aber ein schlechter Sound auf einem sehr guten Modell ist nachlässig.

 

Schöne Drehgestellblenden mit vielen Details - die Schleifer können - saubere Schienen und Räder vorausgesetzt - problemlos entfernt werden

Nicht nur äusserlich wurde dem Modell bezüglich Detaillierung ein hohes Mass an Aufmerksamkeit geschenkt, auch der Gestaltung des Führerstands wurde viel Aufmerksamkeit gewidmet. Der durchgestaltete Führertisch ist mit farblich untermaltem Funkgerät und Anzeigen wie Druckluftmanometer und Geschwindigkeitsmesser ausgestattet. Auch ein Vakuumbremsschieber wurde nicht unterschlagen. Der Lokführer trägt zwar nicht die korrekten Dienstkleider der Matterhorn Gotthard Bahn und immer noch die Schirmmütze gegen Blendung durch Sonnenstrahlen auf dem Oberalp – aber das lassen wir ihm durchgehen.

Das Modell der MGB HGe 4/4 II ist sehr gelungen. Der Preis von knapp 1500 € ist absolut gerechtfertigt und man bekommt dafür ein Modell mit hoher Wertigkeit. Das Modell ist in der Lage die gestellten Anforderungen in vollem Umfang zu erfüllen. Man muss sich jedoch die Frage stellen und LGB sollte sich diese gefallen lassen: "Warum nicht immer so?"  Die HGe 4/4 II hat ein grosses Potenzial an Farbvarianten. So wäre auch die SBB Brünigbahn-Version oder die spätere Zentralbahn-Version eine Sonderserie wert. Selbstverständlich wären auch die ehemaligen Furka-Oberalp-Bahn-HGe 4/4 II mit der alten Beschriftung oder Sonderserien wie die Werbelok für den Autoverlad Furka oder die Sion 2006 bis zu BVZ-Versionen mit den schönen Namen und dem Matterhorn im Logo möglich um noch über Jahre Neuheiten zu realisieren. Wenn MLGB vielleicht einmal Wert auf einen originalgetreuen Sound legt, müsste man dann jedoch beachten, dass die Refit-HGe 4/4 II nicht mehr thyristorgesteuerte Motoren hat, sondern mit einem Umrichterantrieb ausgestattet wurde. Der Sound unterscheidet sich massgeblich.