Verwittern - oder Spuren die das Leben hinterlassen

SBB Re 460 068 mit IR 1721 Genf Aeroport - Brig in Visp VS, die Front der Lokomotive kann, wenn überhaupt, nur noch durch eine Neulackierung wieder sauber gemacht werden.

Vorbild Jedes Vorbild verwittert im Einsatz. Umwelteinflüsse und Bremstaub verteilen sich auf jeder Fahrt auf dem Fahrzeug. Spuren von Oel, Russ, Abrieb von der Fahrleitung hinterlassen auf den Fahrzeugen sichtbar ihre Spuren. Bei der Fahrzeugreinigung werden vor allem die Fahrzeuglängsseiten durch Verwendung von Säurehaltigen Reinigungsmittel mehr oder weniger wieder sauber. Die Fronten der Lokomotiven und Triebwagen werden zum Teil mit der Maschine zum Teil in mühsamer Handarbeit von den Spuren des Lebens befreit. Ein Ding der Unmöglichkeit ist es aber, ein Fahrzeug wieder in den Zustand zu versetzen als es war, als es gerade die Fabrikhallen verlies.

KISS RhB Gem 4/4 mit Regionalzug, schönes Modell aber die fehlende Verwitterung lässt das Modell wie ein Spielzeug erscheinen

Modell Modelle werden neu ausgeliefert und bleiben meistens auch im Aussehen neu. Die einzigen Gebrauchsspuren die manchmal Sichtbar sind, entstehen durch unsachgemässe Handhabung, Zusammenstösse oder auch mal durch einen Regenguss. Optisch tragen diese Verunreinigungen aber nichts zum vorbildlichen Aussehen von Modellen bei. Gerade Kunststoffmodell von LGB, direkt aus der Verpackung, haben optisch nicht gerade viel mit dem Vorbild gemeinsam. Der glänzende Kunststoff des Wagenkastens und die schreienden silberfarbenen Dächer hinterlassen nur einen Eindruck von Spielzeug. Andere Hersteller wie KISS oder BRAWA ist es mit der Lackierung durch Verwendung von matten Farben wenigsten ein bisschen gelungen, vom Spielzeuimage weg, näher zum Original zu kommen. Doch matte Farben alleine machen noch kein vorbildliches Erscheinungsild aus.

Diese Erkenntnis hatten Modellbahner die ihr Hobby nach amerikanischem Stil betreiben, bereits vor vielen Jahren. Modelle in den Spuren 0, 0m oder 0e wurden verwittert was das Zeug hielt. Verwendet wurden dafür Airbrushpistolen und dünnflüssige Farben. Für spezial Effekte kommen auch gerne Pulverfarben zum Einsatz. Damit wurden an den Dampflokomotiven Russspuren und an den Wasserbehälter Kalkspuren nachgebildet. Güterwagen bekamen den Abrieb von Bremstaub verpasst und Diesellokomotiven Oel und Abgasspuren. Um diese Verwitterung, von Alterung kann man eigentlich nur bei alten Modellen sprechen, zu erzielen, eignet sich die Airbrushtechnik am besten. Denn wie beim Vorbild wird beim Modell die Ablagerung durch die Luft aufgetragen. Beim Vorbild entstehen die Ablagerungen nicht durch Pinsel, sondern während der Fahrt mit viel Fahrtwind. Diesen speziellen Effekt erzielt eine Airbrushpistole am originalgetreusten.

Wenn man sich einmal dazu entschlossen hat, seine Modelle zu verwittern, sollte das Verwittern von Modellen, wenn keine Spritzkabine zur Verfügung steht, wenn immer möglich im Freien passieren. Der feine Farbfilm in der Luft ist nicht gerade gesund und zusammen mit den Lösungsmitteln sogar Explosions gefährdet. Im Freien hat man genügend Luft und erst noch eine gute Beleuchtung. Als Farben eignen sich verschiedene Produkte. Wir bevorzugen Revell Farben. Dazu Terpentinersatz als Verdünner und Reinigungsmittel. Wer seine Modelle verwittern will, hat es eigentlich einfach, einfach beim Vorbild "abkupfern". Alles ist möglich, nichts ist unmöglich. Vielleicht noch zu beachten ist auch der Grundsatz: mehr geht immer, zurück wird`s schwieriger.

Die Richtige Mischung ist das A und O für den Erfolg Jede Schicht wird einzeln aufgetragen

Als erstes ist es wichtig, die richtige Farbe zu erhalten. Hier ist zu beachten, dass die Farbe für Chassis, Räder und Unterbau auf keinen Fall die selbe wie für Dach und Oberbau ist. Dies zu wissen ist insofern wichtig, dass wenn man eine passende Farbe gemixt (die richtige, fix fertige Farbe gibt es nicht!) hat, diese nicht für jeden Effekt verwendet werden sollte. Eine Farbe für den Unterbau setzt sich aus schwarz, oker, braun einen Schuss rot und viel Verdünner zusammen. Vor dem Beginn der Spritzarbeiten, kommt noch einen kleiner Spritzer silber-metallic dazu, diese Farbe garantiert die einzelnen feinen Metallpartikel, die auch beim Vorbild zu finden sind und von Abrieb der Bremsklötze herrühren. Ein meisterhafter Effekt!

Beim verwittern des Dach, die Seiten etwas abdecken Für den Oberbau von Objekten eine heller Mischung mixen

Vor dem einfüllen der "Brühe" in die Pistole sollte die Farbe nochmals gut gemischt werden. Dann mit mittlerem Druckeinstellung geht es ans Modell. Mit feinem Staub werden systematisch die Verwitterungsspuren aufgetragen. Wenig Farbe, viel Luft erzielt die besten Resultate und garantiert, dass die Verwitterung fast augenblicklich wieder trocken ist. Die Verwitterungspuren sind zwingend in vielen Arbeitsgängen anzubringen und nicht auf einmal. Werden die Spuren auf einmal angebracht, ist das Ergebnis nur vermeintlich befriedigend, denn meistens ist bereits viel zu viel Farbe drauf. Deshalb mit Geduld, Schicht um Schicht auftragen und immer wieder im Licht begutachten wie der Effekt wirkt. Paradoxerweise ist es nur dann richtig, wenn nach vielen Durchgängen noch keine Veränderung zu sehen ist. Sie können aber sicher sein, es befindet sich bereits eine Patinaschicht auf dem Modell. Hat man den Unterbau soweit, dass man an sich an den Oberbau wagen kann, sollte eine neue Mischung zubereitet werden. Der Oberbau von Fahrzeugen ist einer anderen Art Schmutz ausgesetzt, was auch einen anderen Farbton der Patina bedingt.

Fahrzeug Dächer sind beim Vorbild einem enormen Abrieb ausgesetzt, da darf es am Modell auch ruhig ein bisschen Mehr sein

Dächer sind beim Vorbild exponiert. Zum Bremsstaub, dem Regen und dem Russ gesellt sich noch der Abrieb der Fahrleitung. Eine nasse Fahrleitung an einem Regentag verstärkt diese Verschmutzung gerade nochmals um einiges. Aus diesem Grunde, darf auch beim Verwittern von Modellen auf dem Fahreugdach ruhig etwas mehr Schmutz aufgetragen werden. Für einen gelungen Effekt, kann hier quasi als Finish, ein Bereich über die ganze Dachlänge mit einer dunkleren Farbe gezogen werden, der von dem Fahrleitungsabrieb herrührt. Um die Seiten des Modell, diese sind auch beim Vorbild im Verhältnis zu anderen Partien am Fahrzeug recht sauber gehalten, vor unerwünschter Patina zu schützen, empfiehlt es sich diese ab zudecken.

Ein "stumpfer" Pinsel und silber-metallic Farbe erzeugen den Metalleffekt

Der Oberbau sollte einige Nuancen heller sein, weniger schwarz enthalten und den Rost nicht mit zu viel rot nachbilden wollen. Es ist nicht notwendig die Spritzpistole nach jedem Farbwechsel sauber zu reinigen, denn der Rest von vorher, kann problemlos als Beginn für den nächsten Schritt verwendet werden. Es ist auch nicht notwendig, absolut perfekt und sauber arbeiten zu wollen, das verwittern von Modellen ist schon per se (Lat: von selbst) her eine schmutzige Angelegenheit. Das absolute i Tüpfelchen jeder Verwitterung sind das herausarbeiten von Metallteilen am Modell. Mit einem "stumpfen" (ein abgenutzter Borstenpinsel eignet sich hervorragend für diesen Schritt) Pinsel und ganz wenig silber-metallic Farbe wird eine feinste Schicht Metalleffekt auf Achslagern, Blattfedern oder Pufferhülsen aufgebracht.  Dieser Effekt ist nicht mehr zu toppen. Bei diesem Schritt ist es aber zwingend Notwendig, dass sich praktisch nur Spuren von trockener Farbe am Pinsel befinden. Ist die Farbe feucht oder hat man zuviel Farbe am Pinsel, gelingt der Effekt nicht! Es hat sich bewährt, etwas Farbe von Deckel des Döschens aufzutupfen und dann die Farbe auf einer alten Zeitung wieder wegzuputzen. Erst dann kann man mit Tupfbewegungen (keines Falls streichen) auf die gewünschte Stelle am Modell gehen. Was sich auch gut macht, ist die Kontur der Bremsklötze mit einem schmutzigen braun nach zu ziehen.

 

Kalkspuren vom Wasser mit dem Pinsel erzeugt Puffer eines RhB Wagens - mit Farbe auf dem Modell realisierbar

Wurde eingangs des Bericht darauf hingewiesen, dass eine optimale Verwitterung ausschliesslich mit der Spritzpistole zu erzielen ist, gibt es natürlich Ausnahmen wo mit dem Pinsel bessere Resultate erzeihlt werden können. Zum Beispiel die Kalkspuren bei Wasserkästen an Dampflokomotiven. Das überlauffende Wasser beim befüllen der Wasserkästen kann auf dem Fahrzeug Kaslkspuren hinterlassen. Diese werden am Modell mit der passenden Farbe und mittels eines Pinsel nachgebildet. Oder der berühmte Pufferfettfleck auf den Mittelpuffern, dieser wird mit schwarz-glanz Farbe (auch eine Ausnahme) realisiert.

Das Resultat mag zu überzeugen, nur noch etwas Pufferfett mit schwarzer Glanz Farbe auf den Pufferteller zur Vollendung

Fazit Das Verwittern von Modellen ist ein Grundsatzentscheid. Entweder man mag Modelle die aussehen wie das Vorbild oder man mag sie nicht. Eigentlich gibt es kein "zuviel" oder "zuwenig", denn die Erfahrung hat gezeigt, dass beim Vorbild fast alles möglich ist. Zu beachten ist, dass der eigene Geschmack beim verwittern weniger eine Rolle spielt, den massgebend ist einzig und alleine das Vorbild. Interessanter Weise gewinnt ein Model durch eine perfekte Verwitterung sogar bei einem wiederverkauf,  eine gute Verwitterung schadet nicht im Mindesten, im Gegenteil,  perfekt verwitterte Modelle erzielen oft einen überdurchschnittlich höheren Preis als "neue". Über das Verwittern zu schreiben ist müssig, man muss es einfach tun, denn den Mutigen gehört die Welt! Probieren geht über studieren.

Zum Schluss muss aber dennoch darauf hingewiesen werden, dass die Redaktion jede Haftung bei Nichtgefallen oder Misserfolg ausschliesst!