Auch ohne montierte Fahrleitung wird zwingend mit Bügel "hoch" gefahren

Auf elektrischen Eisenbahnfahrzeugen ist ein Stromabnehmer montiert. Stromabnehmer, Pantograph oder im Volksmund "Bügel" genannt. Wobei "Bügel" vor allem im Schweizer Dialekt Gebrauch findet. Das Wort Pantograph wird kaum verwendet denn mit Stromabnehmer weiss man im deutschsprachigen Raum was gemeint ist. Auch wenn genau genommen der Stromabnehmer bei Fahrzeugen mit rekuperierender elektrischer Bremse auch ein Stromabgeber ist.
Zum elektrischen Vorbildbetrieb gehört eine Fahrleitung, die die elektrische Energie für die Triebfahrzeuge liefert . Beim Vorbild meistens durch eine abgespannte Oberleitung realisiert, bei gewissen Bahnen (U  und S-Bahnen oder auch bei Bergbahnen als seitliche Stromschiene ausgeführt). Beim Modellbahnbetrieb wird die Energie meistens durch die beiden Schienen des Geleises zugeführt. So dass die Oberleitung für den reinen Fahrbetrieb nicht zwingend notwendig ist. Der Wunsch nach Mehrzugbetrieb wurde früher mit einer Oberleitung befriedigt. Der eine Zug bezog den Fahrstrom aus der Schiene, der andere aus der Oberleitung.

Oberleitungen werden kaum auf Teppichbahnen montiert. Das sichere Aufstellen der Masten und die gespannte Fahrleitung dazwischen erfordern stabile Konstruktionen. Auf Anlagen mit Mehrzugsteuerungen kann man technisch sogar auf Fahrleitungen verzichten da die Fahrzeuge ihre Informationen und die Energie  aus den Schienen beziehen. Jedoch stellen die eigenen Ansprüche auf eine Vorbildliche Anlagengestaltung bald einmal die Forderung nach einer Fahrleitung. So sind häufig auf Innenanlagen mit hohen Ansprüchen an die modelltreue mehr oder weniger filigrane Modelloberleitungen mit oder ohne elektrischer Funktion installiert. Sie verleihen der Anlage und den fahrenden Zügen optisch ganz neue Perspektiven.

Bei Freilandanlagen eine Fahrleitung zu installieren muss wohl überlegt sein. Haustiere, Hunde, streunende  Katzen oder Füchse, spielende Kinder oder unachtsame Partygäste, könnten die Freude an der Fahrleitung ganz schnell zu Nichte machen. Denn auch bei einem grossen Massstab sind die Drähte relativ fein und nicht jeder Belastung gewachsen. So dass man sich vielleicht besser dazu entscheidet, auf die gewünschte Fahrleitung zu verzichten und sich dafür viel Reparaturaufwand ersparen kann.

Kommen wir zum Kern dieses Artikels. Gründe warum oder auch eben nicht, Fahrleitungen auf Anlagen montiert sind gibt es viele. Leider kann das fehlen oder der Verzicht auf eine Fahrleitung, Modellbahner dazu verleiten, den Stromabnehmer beim Fahrbetrieb an den Modellen nicht gehoben zu haben. Und dies ist ein Irrtum der keine Entschuldigung zu lässt. Wer elektrischen Betrieb auf der Anlage betreibt, fährt mit "Bügel" hoch. Diese Unwissenheit wird leider oft auch von einschlägigen Fachzeitschriften von der Gartenbahn bis zum GartenbahnProfi noch genährt. Sind doch auf diversen Fotos von Bildberichten über Top und Superanlagen, Modelle zu sehen die mit "Bügel" tief abgebildet sind. Auch das Videoportal Youtube  ist voller Beiträge, auf denen Züge mit "Bügeltief" verkehren. 

Man kann Verständnis dafür aufbringen, dass unter gewissen Umständen Fahrbetrieb mit Bügel tief gemacht werden muss. Einer der Hauptgründe  dürfte sein, dass man auch auf einer noch nicht ganz vollendeten Anlagen doch gerne  einmal seine Züge fahren sehen will, aber die Durchfahrthöhe einer Brücke oder eines Tunnels wie beim Vorbild so eng ist, dass der gehobenen Panto anhängen würde. Für dieses Problem gibt es aber einfache und optisch nicht negativ ins Bild fallenden Lösungen. Man kann mit einem feinen Faden oder Draht den Bügel auf der höchstmöglichen Stellung fixieren. Bei dieser Methode würde sogar der elektrische Pantoantrieb noch funktionieren. Oder man lötet oder klebt ein Abstandhalter am Stellmechanismus des Stromabnehmer fest, so dass dieser auch mehr zur vollen Höhe ausfahren kann. Auch hier funktioniert der Stellmechanismus weiterhin. Eine weitere Möglichkeit ist, bei der Engstelle (Brücke oder Tunnelportal) ein "Stromabnehmereinfädler" zu konstruieren, der kann rudimentär aus einem Stück gebogenem Draht bestehen oder vielleicht sogar aus einem einzigen Oberleitungsmasten mit dem dazugehörenden Einfädler.


Panto an der Engstelle
Einfädelvorrichtung für den Panto bei Tunnelportalen

Für Fotosessions gilt ganz allgemein: Die Modelle sind so zu posen, dass sie mit Bügelhoch vor der Linse stehen. Ein qualitativ hochstehendes Foto entsteht  so oder so nur, wenn das Objekt vor der Linse stillsteht.  Nur dann kann der richtige Ausschnitt gewählt uns so belichtet werden, dass eine grosse Tiefenschärfe erzielt wird.  Dann ist auch genügend Zeit vorhanden um den Stromabnehmer zu heben. Alles andere ist unentschuldbar und ein absolutes "no go". Leider unterläuft dieser unverzeihliche Fehler sogar sogenannten Profifotografen immer wieder und sie bilden in teuren Fachzeitschriften Fotos ab auf denen Züge mit Bügeltief zu sehen sind. Der einzige Grund, warum ein elektrisches Triebfahrzeug den Bügel tief haben kann, ist wenn es abgestellt ist, defekt ist oder eine Zweikraftlokomotive im Dieselbetrieb ist.


Bitte nicht so....
..sondern so, auch ohne Fahrleitung mit Panto oben.

Die Aussage ist klar und es gilt : His Master's Voice - Elektrischer Betrieb mit Bügel tief ist mit allen Mitteln zu vermeiden. Fotos und Videos mit Bügeltief sind ganz einfach Verboten!

Seit Jahren störe ich mich an der Unsitte: keine Fahrleitung - Bügel tief und bis Heute erscheinen immer noch Bildberichte und Fotos, ja sogar Videos auf denen Modelle mit Bügel tief zu sehen sind. Daran konnten auch Schreiben an verschiedenste Modellbahnredaktionen und Abokündigungen nichts ändern. Ein Lichtblick scheint nun die Zeitschrift "Die Gartenbahn" zu sein. Auf der Redaktion dieser Zeitschrift strebt man den Turnaround an und achtet darauf, dass in Zukunft nur noch Fotos von Elektrofahrzeugen mit Bügel hoch veröffentlicht werden.